Nein, eigentlich habe ich nichts Spannendes zu erzählen, aber das, was ich gerade erlebt habe, ist einfach zu schön um es ganz für mich zu behalten. Also, ihr seid herzlich eingeladen...
Ich war gerade in der Hamburger Laeizhalle zur „Galanacht der deutschen Tenöre“. 3 Stunden Sing-Sang. Drei “ junge Tenöre“ und vier, na ja, ältere Tenöre. Die "jungen Tenöre" waren allerdings nicht wirklich jung. Und bissl dick. Egal, ich schweife ab…Ich werde nun versuchen die positiven Aspekte möglichst eindrücklich darzustellen:
Alles andere lässt sich einzig als ein wildes Potpourri aus Kuriositäten, grandiosen Stimmen und gefährlich hohem Fremdschämfaktor beschreiben. Ein bisschen wie Loriot zu seinen besten Zeiten. Chapeau.
Es war von Beginn an offensichtlich, dass meine Kollegin Beate und ich den Altersdurchschnitt auf gutgemeinte 78 Jahre drückten – wir gehörten demnach nicht ganz zur anvisierten Zielgruppe. Aber die sieben trällernden und knödelnden Pinguine auf der Bühne, ja, DIE kannten Ihr Publikum! Da war für alle was dabei. 7-stimmiger Chor (der zugegebenermaßen beeindruckend mächtig und doch differenziert hörbar war), da waren spiegelglatt gegelte Schwiegersohnfrisuren, da waren neckische Augenzwinkerer zu den Schnitten in der ersten Reihe, da waren dramatische Handbewegungen die körperliche Schmerzen beim Tonartwechsel vermuten ließen und Zwischenmoderationen, die einem Hansi Hinterseer durchaus hätten Konkurrenz machen können: „Meine sehr verehrten Damen und Herren, Ihr seid der HAMMER!“ schwärmte Charme-Barde Björn Casapietra in das voll aufgedrehte Mikrofon – und der weibliche Publikumsanteil (geschätze 97,3 %) sank augenblicklich seufzend in die purpurnen Plüschsessel. Oh, und es gab viel zu lachen, auch nicht nur ungewolltes. So kam ich in den Genuss des guten alten „Kunst kommt von Können und nicht von Wollen, sonst würde es ja Wunst heißen“-Witzes, der minutenlang für schallendes Gelächter sorgte.
Besonders schön war auch, dass alles von 3 rotierenden Diskokugeln untermalt wurde, angestrahlt von den klassischen Mitgliedern des Farbenkreises: Pink, Türkis und Lila. Insofern sehr passend, als dass sich dieses farbenfrohe Miteinander in der Kleidung der einen oder anderen betagten Dame wiederfinden ließ. (Horst, wo ist denn das blaue Sakko? Ja, genau, dass mit den rosa Karos…)
Begleitet wurden die Sängerknaben von dem Wiener Damenorchester „Rondo Vienna“. Klingt harmlos, aber OBACHT – der Eindruck täuscht. Bärbel und ihre Bratschen oder liebevoll auch „göttliche Geigerinnen“ genannt, hatten es faustdick hinter den vom Kolophonium möglicherweise verstopften Ohren. Ganz im Stil der „Kelly Family“ wurde in kleinen Zwischenspielen gefidelt was der Bogen hergab. Aber das war noch lang nicht alles: Es gab ja noch 2 E-Gitarren, Schlagzeug, Martin am Klavier (äh, hallo FRAUENOrchester? Ist wohl keinem aufgefallen) und die gute E-Panflöte!!! Solistin Bärbel hatte zu allem Überfluss noch den Minirock als Bühnenoutfit gewählt, welcher bei ihren wilden Geig-/Tanznummern kurzzeitig dem donnernden Popsound (hier wurde „Maniac“ und „Eloise“ recht eigenartig interpretiert und als „We will Rock you – das Queen Musical – Verschnitt vorgetragen. Gruselig. Sonst nichts.)den Rang abzulaufen drohte.
Seinesgleichen suchte allerdings die Musikauswahl der (ob nun jungen oder alten) Tenöre. Es war sicherlich vorhersehbar, dass auch hier eine Ausrichtung auf die Schunkelfreudigkeit des Publikums stattfinden würde. Ich gestehe, trotz dieser weisen Voraussicht, nicht minder geschockt gewesen zu sein. Die einzig erkennbare Konstante im Programm war der Gebrauch von hahnebüchenen deutschen Texten für zeitgenössische ausländische Popmusik (Bei Nachfrage füge ich hier gerne hinzu: Ja, man kann jeden modernen Popsong auch von einem Tenor singen lassen, klingt halt nur ziemlich mistig). Ich konnte mir längst nicht alles merken, aber einiges ist doch hängengeblieben. Den Anfang meiner Hitparade macht der berühmte Boyzone-Titel „Egal, was andre sagen, egal was auch geschieht…“, gefolgt von Johannes „Whitney Houston“ Kalpers mit „Es wird maa-hain großer Taaag“ (Ja, richtig: One moment in Time). Mein persönlicher Favorit war allerdings der im Finale zweisprachig vorgetragene Titel „Amazing Grace“, der in der deutschen Version folgende Lebensweisheit an die begeisterte Zuschauerschaft weitergab: „Ei-hein schöööö-ne-he-her Taaaaaag voll Haaar-mooo-niiiieee, i-hist wiiiieee ei-hein Eeeeee-del-steeeeiin“. Kinder, ich sags euch, viel gelernt heut nacht!
Bonne nuit
Ella
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