Samstag, 7. Februar 2009

The disillusionment of Püppchen V.

Der rote Teppich ist gelegt. Fotografen in Position. Security an jeder Treppe. Gästelistencounter A – H, I – P, Q – Z, 31 freundlich lächelnde Hostessen, … 3…2…1…
Tür auf , Scheinwerfer an – Prominente rein!


Es war ein rauschendes Fest. Sagt man. Die Zeitungen sind voll davon. Sie berichten von Tanz, Trunk, Flirt und feiern. Wer hat was, mit wem, und vielleicht auch allein, gekonnt abgelenkt durch, gekleidet in? Fragen über Fragen. Alles in zahllosen Fotos festgehalten.


Für mich war es eine lange Freitagnacht. Ich habe einen beigen Hosenanzug von Mexx getragen. Das wäre meine Bildunterschrift. Aber um mich soll es heute gar nicht gehen. Und auch nicht um die kleinen und großen Partyskandälchen im Ballsaal.


Unten, gleich an der eleganten Marmortreppe, gab es ein viel spannenderes, trauriges, kleines Ereignis zu beobachten. Es ist mir wohl auch nur aufgefallen, weil bei solchen Veranstaltungen eigentlich kein Platz für sensible kleine Erkenntnisse ist. Ich muss dafür ein bisschen ausholen…


Jeder kennt sie, die etwas über Durchschnitt hübschen Partypüppchen, die für ihr Leben gern zu den Großen gehören wollen. Hagere, Größe 34er, deren Talent oder Aussehen nicht für die eigene Karriere reicht. Sie atmen alles ein, was nach Glamour oder auch nur nach erhöhter Aufmerksamkeit riecht. Sie lernen auswendig wie das Prominentenkarussel sich dreht, wer Einfluss hat, an wen man sich halten muss. Und das tun sie. Sie halten sich. Den Besten unter ihnen gelingt kurzzeitig der Einstieg - sie landen auf einem Foto, auf einer Gästeliste. Manche heiraten sogar Dieter Bohlen oder werden Heidekönigin. Aber je mehr man die Gelegenheit hat diese gespenstischen Mädchen zu beobachten , desto mehr erkennt man, dass das zwar alles ganz leicht und spielerisch aussieht – es wird ständig gelacht, gefeiert, getrunken, gelästert, geküsst - das Pflaster in der trüben Realität aber sehr hart sein muss. Es herrscht Krieg unter den nicht prominenten Sternchen. Und den zartgliedrigen Gestalten ist manchmal gar nicht zuzutrauen mit welch harten Bandagen gekämpft wird. Der Kommentar meiner Kollegen und mir „ach, das sind doch auch immer die gleichen“ muss hier fast als Kompliment gewertet werden, denn es bedeutet ja, dass die Halbwertszeit für Dame XY noch nicht um ist.

Als ich gestern, noch vor Beginn der Veranstaltung, zum Hostessenbriefing in Raum „Bellevue“ gehuscht bin, fiel mir ein Mädchen auf, dessen Gesicht mir seltsam bekannt vor kam. Später, während der Abend schon in vollem Gange und die ersten 600 Gäste schon da waren, wurde sie mir zugeteilt (ich nenne sie an dieser Stelle „V.“) und sie stellte sich, beinahe etwas verschüchtert wirkend, an meine Seite an der großen Treppe. Ich erklärte ihr im Trubel nebenbei noch schnell ein, zwei Dinge während sie mich mit ihrem heillos überpuderten Gesicht aus großen Augen anschaute – offenbar merkwürdig dankbar für meine Freundlichkeit. Kurz danach taute sie auf und begann fröhlich drauflos zu plappern. Da ich ein höflicher Mensch bin (ja, hier ist ein kurzer Moment der Selbstreflexion angebracht), antwortete ich geduldig auf ihre Fragen. Woher ich denn komme, was ich studiert habe, wie ich zu diesem tollen Job gekommen bin, ob es nicht Spaß macht immer auf so großen Events zu sein. Sie war nicht tatsächlich dumm, das nicht. Sie war auch nicht wirklich naiv. Sie war nur aufrichtig wissbegierig. Nach ein paar Minuten dämmerte mir woher ich ihr Gesicht zu kennen glaubte. Sie war eine der Püppchen! Sie war ein nicht prominentes Prominentenpüppchen, was versehentlich in einen Hosenanzug gesteckt und, eine dienstleistende Tätigkeit ausführend, an meine Seite gestellt worden war. Zumindest war sie einst ein Püppchen gewesen. Vor Jahren schon muss ich Sie gekannt haben. 90 Grad oder so. Gemeinsame Bekannte hatten wir damals auf jeden Fall. Merkwürdigerweise machte es sie mir ein wenig sympathisch, dass sie sich nicht zu "fein" war hier zu arbeiten anstatt zu feiern.


Noch bevor ich weiter nachdenken konnte, betrat ein weiterer durchschnittlich bekannter (eher durch den Namen der schauspielenden Mutter) und überdurchschnittlich unsympathischer Berliner Filmproduzent die Szenerie. Im Schlepptau eine ganze Possy. Unter ihnen – man ahnt es vielleicht – zwei Püppchen. Das wäre jetzt vielleicht alles völlig unspektakulär gewesen, wenn ich die beiden Damen nicht ebenfalls aus früheren Ausflügen ins Nachtleben kennen würde. Man war auch einige Zeit gemeinsam in den üblichen Clubs gewesen, hatte sich innigst geherzt und geküsst zur Begrüßung und im weitläufigeren Sinne als Freunde bezeichnet. Wer mich kennt, weiß, dass diese Phase nicht sehr lang anhielt und ich inzwischen – ohne großes Bedauern – „raus“ bin, also definitiv nicht mehr auf dem Püppchenradar. Schnösel und Anhang stapften nun zielstrebig auf mich zu. Nope. „Dürfte ich Sie bitten, sich an den nach Nachnamen unterteilten Countern zu akkreditieren? Dort erhalten Sie Ihr Gästebändchen, welches zum Eintritt befugt.“ Sechs Augenpaare starrten mich entgeistert an – eins davon gehörte V. Kinder, zwischen Band und Einlass ist eine gewisse Kausalität gegeben, ihr kennt doch alle das Spiel, nun tut doch nicht so. Ah ja, also nicht so helle, der Herr Filmproduzent. Es wurde gemosert und geschimpft (Wie jetzte? Wir ste-hen a-ber auf der Gäs-te-lis-teee!!! Haaaalllloooo?!?!?!), dann aber schmollend der rechte Weg eingeschlagen. Und dann wurde es irgendwie ein klein wenig traurig.
Wie sich herausstellte kannte V. die Püppchen nicht nur, sie waren sogar ihre angeblichen Freundinnen. V.:„Die linke war 7 Jahre meine beste Freundin.“ Heiliger Bimbam, nicht mal beachtet hatte sie meine Bleichgesicht-Hostess. Das war staker Tobak. "Na ja..." sagte sie leise und zuckte mit den knochigen Schultern. Und wenn ich mich nicht täusche schaute sie ein wenig aufrichtig traurig aus ihrem nicht sitzenden Hosenanzug. V. erzählte ein wenig, dass sie Journalisms studiere und ihr erstes Interview letztens mit (OBACHT:) Marc Terenzi hatte, und überhaaaaaupt nicht prominetengeil sei, wie ihr immer unterstellt würde. Das Merkwürdige war, dass sie auch wirklich nicht so auftrat, als müsse sie sich profilieren. Sie war ein bisschen – um in der Püppchensymbolik zu bleiben – der gefallene Barbie-Engel. Warum auch immer, jedenfalls gehörte sie nicht mehr zur sogenannte „In-crowd“, zum inneren Kreis. Sie machte nicht den Eindruck, dass sie das so schlimm fände. Das Problem daran, dass sich in ihrem insgesamt schrecklich unsicheren Auftreten äußerte, schien zumindest mir jedoch ziemlich offensichtlich zu sein. Jetzt wo sie nicht mehr dazugehörte, wusste sie offenbar gar nicht mehr, wo sie hingehörte, was sie eigentlich wollte. Studium? Arbeiten? Freunde? Feiern? Vielleicht hatte der schmale Grat zwischen Normalo und VIP ihr zumindest immer die Sicherheit gegeben, sich irgendetwas zugehörig zu fühlen. Nun irgendwie wirkte sie etwas verloren. Sie tat mir leid. Es ist einfach diese Hühner als oberflächlich und dumm abzustempeln, wenn sie sich daneben benehmen und mit so hoch gerümpften Nasen herumlaufen, dass sie Regenwasser drin sammeln könnten. Aber wahrscheinlich sind sie fast alle ziemlich unglücklich und vielleicht einsam. Voller Selbstzweifel definitiv. V. klagte mir ihr Leid, als sie gestand, dass sie sich für diesen Hostessenjob (wohl ihr erster, wie ich vermute) extra einen neuen Hosenanzug kaufen musste, da sie so zugenommen hatte und jetzt offiziell eine 36 sei. Äh, ja. Ist klar. Das sagt doch jedenfalls auch einiges.


Es war nicht meine Aufgabe ihr zu sagen, dass sie sicherlich ganz toll ist, und sie froh sein sollte, nicht auf der anderen Seite der roten Kordel zu stehen. Ich war nicht zum Weltretten da. Ich habe mit ihr gearbeitet und das war gut. Ich habe mich mit ihr unterhalten und es war unterhaltsam. Ich habe nicht vor ein Hilfsprojekt für durchschnittlich durchschnittliche Püppchenaussteigerinnen zu gründen. Aber für diesen kleinen Moment hat es mich aus dem konstant surrenden, brummenden Ton, den solche Veranstaltungen grundsätzlich tragen, herausgeweckt, als die Traurigkeit durch ihre Augen huschte. Gleich danach ist jedoch sicherlich wieder eine fabelhaft kuriose, lustige, laute Geschichte passiert, die an anderer Stelle erzählt werden will. In diesem Sinne.

Gute Nacht
Gute Nacht, V.

Ella

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Dachte, ich sag dir mal bescheid, auch wenn du nicht über Mode schreibst:

morgen, Samstag, findet im Showroom von Danish Daughters ein spezieller Sale für Bloggerinnen & ihre Freundinnen statt.

Du bist natürlich herzlich eingeladen mit deinen Freundinnen vorbeizukommen.

Was gibts: auf 300qm dänische Labels wie z.B. Modström, NoaNoa, Friis & Company etc. zu einmalig günstigen Preisen.

Wann: von 16.00h-19.00

Wo: Danish Daughters Showroom, Hoheluftchaussee 95
20253 Hamburg, www.danishdaughters.de

Liebe Grüße, Judith